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Aus dem Schatten der Sprache? Zum Verhältnis von Bild und Wort

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Wie Giotto Weihnachten erfand

Michael Viktor Schwarz, Kunstgeschichte

 

Wüste – kulturelle Bilder, Bilder von Kultur

Christiane Kothe, Islamische Kunstgeschichte

 

Bild, Schrift und Erzählung. Fallbeispiele aus dem antiken Athen

Marion Meyer, Institut für Klassische Archäologie

Im antiken Griechenland erfolgte Kommunikation vor allem durch gesprochene Sprache und durch Bilder, nicht durch Texte. Das geschriebene Wort konnte aber auch im Bild präsent sein in Form von Namensbeischriften.

Beischriften können unterschiedliche Funktionen haben. Besonders interessant sind Fälle, in denen Beischriften ein nicht-narratives Bild zu einem Mythenbild machen (wobei die Voraussetzung hierfür ist, dass es eine mythische Erzählung gibt, die der bildlich dargestellten Szene entspricht) oder in denen Beischriften ein nicht-narratives Bild auf mythische Figuren beziehen (ohne dass eine entsprechende mythische Geschichte zugrunde liegt).

Diese beiden Funktionen sind, wenn es um den konkreten Einzelfall geht, in der Forschung sehr umstritten. Es herrscht eine Tendenz vor, Darstellungen mit Bildtypen, die für mythische Figuren verwendet wurden, generell für Mythenbilder zu halten, auch wenn weder Beischriften noch Attribute noch sonst ein Bildelement dies nahelegen. Ich plädiere hingegen dafür, Bilder nur dann als mythologische Darstellungen zu interpretieren, wenn es konkrete Indizien dafür gibt, und die Verwendung von identischen Bildtypen für mythische und nichtmythische Figuren als Aufforderung zu Vergleichen zu begreifen: Die mythischen Figuren bekommen eine paradigmatische Rolle; andererseits sind sie keine unerreichbaren Vorbilder, sondern sie werden so gezeigt, wie auch der Betrachter dargestellt werden könnte. Stößt man die Bilder in den Schatten des Wortes zurück und liest man sie alle als Mythenbilder, nimmt man ihnen m.E. einen wesentlichen Teil ihrer Aussage.

Auch Mythenbilder können aus dem Schatten der Sprache (in dem sie aufgrund ihres Bezugs auf den Mythos sozusagen zwangsweise stehen) treten, wenn Visualisierungsformen gefunden werden, die eine erläuternde Beischrift überflüssig machen.

Sie können sogar aus dem Schatten der Erzählung treten und (unter Beibehaltung der für die mythischen Figuren entwickelten Visualisierungsformen) in den Bereich der Lebenswelt übertragen werden (dann sind es freilich keine Mythenbilder mehr).

Mythische Figuren können auch in Bildtypen wiedergegeben werden, die für Aussagen entwickelt wurden, die mit denen der mythischen Erzählung nicht vereinbar sind. So wird im 5. Jh. v.Chr. das Zusammentreffen des Odysseus mit der Zauberin Kirke in einem Bildtypus dargestellt, der zu dieser Zeit auf die Genderstereotype von der aktiven Rolle des Mannes und der reagierenden Rolle der dem Zugriff des Mannes ausgesetzten Frau abzielt. Dieses im Bild gebotene Verhältnis von Odysseus und Kirke widerspricht dem, welches Homer in der Odyssee von beiden Figuren schildert, eklatant.

 

Bild, Wort und die Blickbewegung

Raphael Rosenberg, Institut für Kunstgeschichte

Der Vortrag präsentiert Ergebnisse eines Forschungsprojektes, bei dem Blickbewegungen während der Betrachtung von Gemälden aus historischer und empirischer Perspektive untersucht wurden (in Zusammenarbeit mit dem Psychologen Prof. Dr. Christoph Klein, University of Wales, Bangor, Finanzierung durch die DFG).

Im Rahmen einer historischen Studie wurde nach der Bedeutung der Blickbewegungen in literarischen Beschreibungen von Kunst und Architektur seit der Antike gefragt. Hier zeigte sich, dass seit dem 17. Jahrhundert Blickbewegungen häufig als Metapher für die Beschreibung formaler Strukturen verwendet werden.

Dieser historischen Studie wurde eine empirische gegenüber gestellt, bei der mittels Eye Tracking Blickbewegungsdaten bei der Betrachtung von Gemälden aufgezeichnet wurden. Dabei ließ sich empirisch feststellen, dass Versuchspersonen Blicksprünge, welche die kompositionelle Struktur von Gemälden widerspiegeln, vielfach wiederholen. Es existiert also ein messbarer Zusammenhang zwischen den Beschreibungen von Augenbewegungen in der Kunstliteratur und der durchschnittlichen Bewegung des menschlichen Auges beim Betrachten eines Gemäldes.

Publikationen:

  • R. Rosenberg, J. Betz & Ch. Klein, Augensprünge, in: Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, Bd. 6,1, 2008, S. 127-129.
  • M. Engelbrecht, J. Betz, Ch. Klein & R. Rosenberg, Dem Auge auf der Spur – Blickbewegungen beim Betrachten von Gemälden – eine historische und empirische Studie, in: IMAGE. Journal of Interdisciplinary Image Science (akzeptiert, im Druck).

Die Geschichte der Königin von Frankreich. Wie Bilder erzählen

Christina Weiler, Kunstgeschichte

„Aus dem Schatten der Sprache?“ Anknüpfend an die Titelfrage dieses Workshops stelle ich einen  Kodex vor, der die Geschichte der Königin von Frankreich beinhaltet, und anhand der  Illustrationen die Bedeutsamkeit der Bilder bei der Rezeption der Novelle veranschaulicht. Dabei lenke ich den Fokus darauf, in welcher Art und Weise die Informationsvergabe an den Leser konstruiert ist.

Bei dem hier besprochenen Exemplar handelt es sich um Cod. 2675* in der ÖNB in Wien, der als einzige Abschrift dieser Novelle über Illustrationen verfügt. Die acht Miniaturen des Zyklus sind vermutlich um 1430 entstanden. Der Text stammt aus dem Ende des 14. Jahrhunderts von dem alemannischen Dichter Schondoch und beschreibt die Verleumdung der unschuldigen Königin, Ehebruch begangen zu haben. Nachdem durch einen Hund die Wahrheit bewiesen werden kann, wird die verstoßene Königin wieder am Hof aufgenommen.

Die Informationen des Inhaltes werden parallel über den Text und über die Bilder an den Leser vermittelt. Dabei ist bei diesen Beispielen bemerkenswert, wie die Bilder die Erzählung des Inhalt über die Darstellung bestimmter Details im Hintergrund erweitern. Da diese im Text unbenannt blieben, ist es dem Leser überlassen, sie durch die eigene Fantasie in die Erzählung einzubauen.

Die Gestaltung einer Komposition mit Hilfe solcher Details kann auch den Interpretationsschwerpunkt verschieben. Eine Kampfszene des Kodex ist auf die wesentlichen Elemente der beiden Kämpfenden und zwei Begleitfiguren reduziert, so dass der Bedeutungsschwerpunkt auf den Hund gelenkt wird, der im weiteren Verlauf die Wahrheit ans Licht bringen wird. In einer vergleichbaren Darstellung derselben Szene eines Freskenzyklus (ca. 1460) in einem Gerichtsaal in Coredo (It.)  wird die Szene um eine Allegorie der Weisheit und ein Rad, auf dem der Täter gerädert werden wird, ergänzt. Auf diese Weise wird der Interpretationsfocus von dem Tier auf die Gerichtsbarkeit und die Gerechtigkeit des Urteils verschoben.

Neben der Art der Ausschmückung einer Szene ist die Auswahl der abgebildeten Szenen eines Zyklus von großer Bedeutung dafür, wie der Text von dem Leser rezipiert wird. Im Fall der Illustrationen der Königin von Frankreich lässt sich beobachten, dass die Miniaturen nur Begebenheiten zeigen, die am Hof selbst stattfinden bzw. wo dessen Vertreter anwesend sind. Dies stimmt nicht mit der Relevanz einer Szene für den weiteren Handlungsverlauf überein. Durch diese Diskrepanz wird deutlich, dass die Bilder die Geschehnisse durch eine Instanz vermitteln, wie es der Erzählerkonstruktion eines epischen Textes entspricht. Jedoch unterscheiden sie sich in dieser Handschrift und die Illustration beinhaltet eine eigenständige  Vermittlerkonzeption: Während im Text ein auktorialer Erzähler den Einblick in alle Bereiche erlaubt, wird über die Bilder ein personaler Erzähler konstruiert, der nur die Handlungen im Umfeld des königlichen Hofes vermittelt.

Das Beispiel des Zyklus der Geschichte der Königin von Frankreich kann so verdeutlichen, dass die Bilder keineswegs im Schatten der Sprache stehen, sondern über eine Erweiterung der Erzählung, eine Verschiebung der Interpretationsschwerpunktes sowie eine selbständige Erzählerkonstruktion die Inhalte der Erzählung in einem ganz eigenen Licht erscheinen lassen.

 

Ein Bild sagt mehr als tausend Datenworte. Zu Technik und Metaphorik des Digitalen

Daniel Terkl, Kunstgeschichte

Sowohl Sprache wie Bilder werden heute digital notiert. Ein Ausflug in die Mediengeschichte zeigt die Entwicklung der Buchstabenschrift zum binären Notationssystem auf. Auf diese verweist selbst die Metaphorik der technischen Fachsprache mit ihren Ausdrücken wie „Datenwort“ oder „-satz“. Als Umsetzung einer Leibniz’schen characteristica universalis macht die Digitalisierung verschiedene Informationsformen – Texte, Bilder und Musik – aufschreibbar und dank der maschinellen Umsetzung der Boole’schen Algebra berechenbar. Der neue Schreibakt entbehrt des literarischen Anspruchs sowie der Willkürlichkeit einer Bildbeschreibung. Diese stellt eine intellektuelle und ästhetische Leistung mit eigenem Wert, aber subjektivem Ergebnis dar. Die Digitalisierung hingegen ist ein genormter, rein technischer Vorgang. Sie macht es möglich, Bilder leichter als früher zu manipulieren und zu reproduzieren. Doch kommen diese dadurch aus dem Schatten der Sprache? Oder sind sie nicht qua „neuer Schreibtechnik“ erst recht einem sprachlichen Paradigma unterworfen?

Neben Medien- und Kunsttheorie beschäftigt sich auch die künstlerische Praxis mit diesen Fragen. Uwe Bressnik thematisiert Neue Medien mit den hergebrachten Mitteln der Kunstgeschichte wie Malerei oder Skulptur und das Verhältnis von Bild und (medientheoretischem) Text. Hingegen nutzt Florian J. Gruber diese als Apparat und Trägermaterial für seine Arbeiten. Die beiden Positionen weisen exemplarisch auf den Zusammenhang zwischen Künsten und Medien hin und konkretisieren diese Fragen für den Autor. Sie zeigen auf, wie die Kunstgeschichte die scheinbare Diskontinuität zwischen den klassischen Gattungen und neuen Kunstformen selbst aufhebt und legen eine transdisziplinäre Arbeitsweise, in der sich Kunst- und Medientheorie gegenseitig motivieren, nahe.

 

Bild im Raum-Raum im Bild

Gerald Kozicz, Architekturwissenschaft

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visual history: der sanfte "turn"

Siegfried Mattl, Zeitgeschichte

 

"Amerika"-Perzeptionen seit dem 11. September 2001. Sprach-Bilder und Bilder-Sprache

Margit Reiter, Zeitgeschichte

 

Cover Design: Was ein Umschlag offenbart (oder verhüllt)

Bernhard Fuchs, Europäische Ethnologie

 

Die Texttafel und ihr Bild. Wörter in Ausstellungen

Klara Löffler, Europäische Ethnologie

 

Von den methodischen Schwierigkeiten mit dem Sichtbaren und dem Aussagbaren, dem Nicht-Diskursiven und dem Diskursiven

Gabriele Werner, Kunstgeschichte

 

Schlußdiskussion und Planungen des Fakultätsschwerpunktes

 

Schrift:

Forschungsschwerpunkt der
Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät
Universität Wien
c/o Univ. Prof. Dr. Marion Meyer
Institut für Klassische Archäologie
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